Erosion: Steter Tropfen höhlt den Stein – aber wie? - DER SPIEGEL

Ein weicher, flüssiger Tropfen kann eine enorme Kraft ausüben

Nicht aufgeben, beharrlich bleiben, mit kleinen Schritten zum Erfolg finden – wer diese Botschaften übermitteln will, kann ein Sprichwort bemühen: »Steter Tropfen höhlt den Stein.« Ähnliche

Phrasen sind auch in anderen Sprachen in Gebrauch. Einem Team von Forschern hat das Sprichwort nun jedoch den Anstoß zu einer ungewöhnlichen Forschungsfrage gegeben.

Trifft ein Tropfen auf eine Oberfläche, entsteht eine Schockwelle

Die Art und Weise, wie Tröpfchen auf Oberflächen treffen, wird seit Jahren in verschiedenen Disziplinen und an unterschiedlichen Partikeln untersucht – von Regentropfen bis hin zu Aerosolen.

Bislang dienten dazu vor allem Hochgeschwindigkeitskameras.

Nun nutzte das Forscherteam eine neuartige Technik, die Hochgeschwindigkeitsspannungsmikroskopie genannt wird. Dabei werden auch nicht sichtbare Parameter wie der Druck und die sogenannte

Scherspannung gemessen, die durch den Aufprall auf Oberflächen entstehen.

In der Untersuchung zeigte sich, dass sich die Kraft, die von einem Tropfen ausgeht, nicht in seiner Mitte konzentriert, sondern sich mit dem auftreffenden Tropfen ausbreitet. Die

Geschwindigkeit, mit der sich die Flüssigkeit dann ausbreitet, übersteigt kurzzeitig sogar Schallgeschwindigkeit. Auf der Oberfläche entsteht eine Schockwelle.

»Jeder auftreffende Tropfen verhält sich wie eine kleine Bombe, die ihre kinetische Aufprallenergie explosionsartig freisetzt«, schreiben die Autoren der Studie.

Dieses Bild zeigt die Auswirkungen, die Tröpfchen auf eine körnige, sandige Oberfläche (links) und auf eine harte Gipsoberfläche (rechts) haben können

Das Ergebnis ist nicht nur für Sprichwortliebhaber interessant. Die Erkenntnisse könnten Ingenieurinnen und Materialwissenschaftlern womöglich dabei helfen, erosionsbeständigere Oberflächen

zu entwickeln, die im Freien Niederschlag besser standhalten.

»Wir streichen etwa die Oberfläche eines Gebäudes oder beschichten die Flügel von Windkraftanlagen, um die Oberflächen zu schützen«, sagte Cheng. »Aber im Laufe der Zeit können Regentropfen

immer noch Schäden durch Aufprall verursachen.« Im nächsten Schritt wollen die Forscher prüfen, ob spezielle Oberflächen die Beanspruchung abmildern können.

Ein weicher, flüssiger Tropfen kann eine enorme Kraft ausüben

Trifft ein Tropfen auf eine Oberfläche, entsteht eine Schockwelle

Dieses Bild zeigt die Auswirkungen, die Tröpfchen auf eine körnige, sandige Oberfläche (links) und auf eine harte Gipsoberfläche (rechts) haben können