Iraks bunnia-konzern: die mutter aller süssigkeiten

Spiegel

Iraks bunnia-konzern: die mutter aller süssigkeiten"


Play all audios:

Loading...

------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Bagdad -


Mustafa al-Bunnia ist einer der reichsten Männer des Irak und hat die Statur eines Bullen. Es ist Sonntag, Werktag, über den Straßen Bagdads mischt sich blauer Benzinqualm mit dem


sandgelben Staub der Stadt. Der Chef wird gesucht, er ist noch nicht da, eine Stunde zu spät schon, die Konzernzentrale wartet. Der ewige Stau in der irakischen Hauptstadt, Autos durchmischt


mit Eselkarren, frisst an aller Zeitbudget und an den Nerven. Vor der Bürotür al-Bunnias stehen Sekretäre Schlange, Männer in blütenweißen Oberhemden, mit sauberen Haarschnitten und sorgsam


manikürten Händen. Unterschriftenmappen klemmen unter ihren Armen, gefüllt mit Schecks, Bestellscheinen, Ordres, sie tragen Leitz-Ordner, Produktproben, es ist ein neuer Tag voller Fragen,


voller Probleme, voller Existenzängste. Denn der Bunnia-Konzern, 7000 Arbeiter, die Mutter aller Süßigkeiten im Irak, liegt wie eine Nussschale in der Windstille der jungen Nachkriegszeit,


25 Tage nach dem Sturz Saddams. Auf dem Flur der Konzernzentrale südöstlich des Zentrums von Bagdad, 20 Autominuten von Saddams gefällter Statue entfernt, sitzen gelangweilte Wachleute an


den Treppenaufgängen, geputzte Schnellfeuergewehre quer auf den Knien. Über ihren Köpfen, Gold auf Schwarz, schwingen sich die schönen Suren des Islam, der spitze Wellenschlag der Botschaft:


"Allah ist gut und beschenkt jene, die gut sind." Der Markt ist nicht gut zu Bunnia dieser Tage. Das Land braucht Reis, nicht Schokolade. Es braucht Strom, nicht Bonbons. Wasser,


nicht süße Joghurts. Telefonleitungen, nicht Lakritzschnecken. Der Systemsturz hat das Leben schlagartig verteuert. An den Tankstellen kosteten vor dem Schießen 50 Liter Sprit umgerechnet


einen Euro, jetzt kosten fünf so viel, der Reispreis hat sich von 10 auf 40 Cent das Kilo vervierfacht, ein Paar Schuhe kosten nicht mehr fünf, sondern 10 Euro. IRAKS KINDER LIEBEN BUNNIA


Jeder Cent zählt. Jeder Cent fehlt dem Bunnia-Konzern. Denn der Trust mit seinen 45 Tochterfirmen produziert vor allem die hübschen Nebensächlichkeiten des Lebens: Tamurkaba-Datteln,


Frizo-Eiskrem, Al-Azrija-Joghurt, Rand-Säfte so bunt wie die Farben des Regenbogens. Wer Bunnia sagt, sagt viel: Alles, was im Mund zergeht und an den Händen klebt, stammt aus seinen Lagern


und Fabriken, die Konzerntochter ICP-Süßigkeiten überschwemmt den Markt mit Lollies, Zuckerwaffeln, Knusperstangen. Die Kinder des Irak lieben Bunnia. Aber diese Kinder sind arm. Mustafa


kommt. Das kündigt sich an 20 Minuten vor seiner tatsächlichen Erscheinung. Die Schlange der Sekretäre gerät in Bewegung, die Männer sortieren noch einmal ihre Papiere, Männer in Kaftanen


sprechen nervös in Satellitentelefone. Als der Chef das Vorzimmer betritt, hängen sie mit einem Mal alle wie ein Schwarm an ihm, die Reihe löst sich flatternd auf, alle umlagern jetzt


Mustafa al-Bunnia und rufen ihm ihre Anliegen zu. Der Mann verlangsamt seinen Schritt keine Sekunde. Ignoriert er sie? Im Moment, da er die Türschwelle seines Zimmers erreicht, hoch droben,


eine Terrasse gibt den Blick frei über Bagdad, ist er mit einem Schlag allein. Der Schwarm bleibt respektvoll zurück. Dann sitzt Mustafa al-Bunnia. Dampfend. Vielleicht 50 Jahre alt, nicht


älter. Auf den Schuhen, wie jedermann, den mehligen Staub von Bagdad. Ein Mann, 1,80 Meter groß, ein Bulle, gewiss 130 Kilo schwer, die sich fest um den gesamten Körper verteilen bis hinauf


zum wuchtigen, kurz geschorenen Schädel. Er hat seine Leute nicht ignoriert. Jeden der Rufe hat er gespeichert. Einzeln ruft er sie jetzt herein, einen nach dem anderen, und gibt dann 70, 80


Unterschriften in vier Minuten. Einer von neun Brüdern, Schwiegersöhnen und Cousins ist Mustafa, er selbst ein direkter Spross der Familie, die in dritter Generation das Erbe eines


Großvaters fortführt, der 1910, noch vor Ausrufung der irakischen Monarchie, als Eisverkäufer begann. Das kleine Geschäft wuchs sich aus, immer größer, bis zum größten Familienunternehmen


des gesamten Irak. DANK WAR NICHT VORGESEHEN IN SADDAMS SYSTEM Wie konnte es die Tyrannei überstehen? "Wer sich dem System nicht offen entgegenstellte, wurde am Leben gelassen",


sagt der Konzernchef. Er wischt die Frage weg. Das Erdulden ging weit: Saddams furchtbarer Sohn Udai, der Autonarr, der sich aus seinem vierhunderter Fuhrpark täglich die Limousinen farblich


passend zu seinen Anzügen aussuchte, ließ die Familie Bunnia eines Tages wissen, dass er an ihren beiden Rolls Royce interessiert sei. Ein Gesandter Udais überbrachte diese Bitte, die ein


Befehl war, eine Drohung auf Leben und Tod. So nahm der Gesandte die Schlüssel gleich mit. Dank war nicht vorgesehen in einem System, das seine Rechnungen vorzugsweise mit Folter,


Vergewaltigung und Genickschüssen beglich. Nun ist Saddams Büste seit 25 Tagen gestürzt, und die Ängste der Familie al-Bunnia gelten vergleichsweise kleinen Problemen. In den Händen der


Iraker ist zu wenig Geld. Die meisten von ihnen leben seit zwei Monaten ohne Lohn in den Tag. "Die Leute haben keine Dinar, um unsere Produkte zu kaufen", sagt Mustafa al-Bunnia,


"wir haben schlicht keine Kundschaft". Niemand braucht Kekse, wo es am Reis mangelt. Am Benzin. Am Salz. Am Strom. DIE ZEITEN SCHMECKEN BITTER Das zweite Hauptproblem betrifft die


Produktion selbst. Wo keine Elektrizität ist, ist keine Kühlung. Und wo keine Kühlkette ist, wird der Vertrieb von Milchprodukten ein aufreibendes Geschäft von Tag zu Tag. 80 Prozent der


Konzernfabriken laufen gleichwohl, sagt der Chef, auf eigenen Stromgeneratoren, bei gedrosselter Produktion. Ein Familienclan, der Saddam überstanden hat, überlebt auch eine


Wirtschaftskrise. Das sagt Mustafa al-Bunnia nicht. Aber er verkörpert es. Für das Interview hat er insgesamt acht Minuten Zeit. Jeder Satz verlängert die Schlange im Vorzimmer. "Sie


müssen verstehen...", sagt er, "es ist eine schwierige Zeit. Aber sagen Sie unseren deutschen Partnern, dass wir sehr dankbar sind für die Botschaften, die sie uns zukommen lassen,


für die Sorgen, die sie sich unseretwegen machen. Wir sind alle wohlauf, Gott sei Dank." Dreiviertel aller Maschinen des Bunnia-Konzerns stammen aus Deutschland. Der Chef sagt, sie


seien die besten der Welt. Im Augenblick produzieren sie dennoch eine Art Ausschuss. Ihre Produkte werden nicht gebraucht. Denn dies sind keine süßen Zeiten; sie schmecken bitter, in Bagdad,


für viele, und gewiss für alle Kinder.


Trending News

Premiere für "tietjen und hirschhausen"

Stand: 23.09.2009 09:59 Uhr SENDETERMIN: FREITAG, 25. SEPTEMBER, 22.00 UHR, NDR FERNSEHEN Ausgebildet als Arzt und Wisse...

Seite nicht gefunden | NDR.de

Leider konnte die von Ihnen angeforderte Seite nicht aufgerufen werden. Möglicherweise ist sie umgezogen oder gelöscht w...

Seite nicht gefunden | NDR.de

Leider konnte die von Ihnen angeforderte Seite nicht aufgerufen werden. Möglicherweise ist sie umgezogen oder gelöscht w...

Forscher und unternehmer wollen den tod abschaffen: langlebigkeits-guru bryan johnson kommt nach berlin

Tagesspiegel Plus _ Update _ Mit Frostschutzmitteln gegen das Ableben? Was beim „Life Summit“ in Berlin verhandelt wird,...

Seite nicht gefunden | NDR.de

Leider konnte die von Ihnen angeforderte Seite nicht aufgerufen werden. Möglicherweise ist sie umgezogen oder gelöscht w...

Latests News

Iraks bunnia-konzern: die mutter aller süssigkeiten

------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser ...

Kanzler merz will bauen, bauen, bauen: was hilft jetzt rasch gegen die wohnungsnot?

Tagesspiegel Plus In Deutschlands Großstädten fehlen Hunderttausende Wohnungen. Die neue Bundesregierung verspricht rasc...

Seite nicht gefunden | NDR.de

Leider konnte die von Ihnen angeforderte Seite nicht aufgerufen werden. Möglicherweise ist sie umgezogen oder gelöscht w...

Besonders starke Erkältungswelle und viele Covid-Fälle im Sommer

Suchbegriffe:NachrichtenNiedersachsenNDSSchleswig-HolsteinSHMecklenburg-VorpommernMVHamburgHHSportRatgeberKulturGeschich...

Seite nicht gefunden | NDR.de

Leider konnte die von Ihnen angeforderte Seite nicht aufgerufen werden. Möglicherweise ist sie umgezogen oder gelöscht w...

Top