Nachruf auf dietrich fischer-dieskau

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Natürlich war Dietrich Fischer-Dieskau ein vollendeter Bariton. Für viele seiner Zeitgenossen aber war er darüber hinaus die Verkörperung eines musikalischen Ideals, das eng mit den


kulturellen Werten Europas verbunden war. Kritiker lobten das Ebenmaß seiner Interpretationen, Kollegen wie sein langjähriger Partner am Klavier, Gerald Moore, sein ungewöhnlich präzises


Gespür für den richtigen Rhythmus der Musik. Und seine seit den fünfziger Jahren stetig wachsende Fanschar schätzte nicht zuletzt die besondere Mischung aus Leidenschaft, Reflexion und


profunder Bildung, die seinen Auftritten wie Aufnahmen eine Aura des Grundlegenden verlieh. SCHUBERT BEI FLIEGERALARM Dietrich Fischer-Dieskau galt als der perfekte Sänger schlechthin, zumal


ihn sein szenisches Talent nicht nur für Liederabende und Konzertprogramme, sondern auch für die Opernbühne qualifizierte. Die Anfänge seiner Karriere allerdings waren von Hindernissen


geprägt. Als jüngster von drei Söhnen eines promovierten Altphilologen und einer Lehrerin kam Dietrich Fischer-Dieskau am 28. Mai 1925 im Berliner Vorort Zehlendorf zur Welt und wuchs in


behüteten bildungsbürgerlichen Verhältnissen auf. Schon in der Grundschule fiel er auf, weil er im Unterschied zu seinen Klassenkameraden gerne Gedichte aufsagte. Er lernte Klavier, wurde


von seiner Mutter zum Gesangsunterricht beim renommierten Bachinterpreten Georg A. Walter geschickt, der ihn nach einer grundlegenden Ausbildung 1942 an die Berliner Hochschule der Musik zu


Hermann Weissenborn vermittelte. Seinen ersten Liederabend gab Dietrich Fischer-Dieskau im selben Jahr im Zehlendorfer Gemeindesaal, Schuberts "Winterreise_"_, unterbrochen von


Fliegeralarm. Wenig später wurde er an die Front geschickt und geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Unterkriegen ließ er sich hier nicht, sondern sang unbegleitete Konzerte für


seine Mitgefangenen. Bis er 1947 sein Studium bei Weissenborn wieder aufnehmen konnte, hatte er sich bereits viele Werke von der "Dichterliebe" bis zu "Die schöne


Müllerin" selbst beigebracht. Von da an verlief sein künstlerischer Lebensweg weniger kurvenreich. BERLIN, BAYREUTH, NEW YORK Erste Engagements führten Fischer-Dieskau 1948 zum Berliner


Rundfunk. Noch im selben Jahr wurde er als 1. Bariton an die Berliner Oper verpflichtet und debütierte als Marquis Posa in Verdis "Don Carlos". Schnell war der Musikwelt klar,


dass hier ein ungewöhnlicher Künstler auf sich aufmerksam machte - die Angebote wurden attraktiver. Mit Wilhelm Furtwängler gastierte er 1951 erstmals bei den Salzburger Festspielen, drei


Jahre später wurde Dietrich Fischer-Dieskau als Wolfram in Wagners "Tannhäuser" in Bayreuth eingeführt und war außerdem an der Wiener Staatsoper in der Titelpartie von Luchino


Viscontis berühmter "Falstaff"-Inszenierung zu erleben. Es folgte eine Karriere im Eiltempo, mit Stationen unter anderem in München und Berlin, London und New York. Insgesamt rund


45 Jahre war Dietrich Fischer-Dieskau bis zu seinem Rückzug von der Bühne Anfang 1993 weltweit unterwegs, als Sänger und Rezitator, außerdem als Dirigent, Autor und Pädagoge. Revolutionär


war sein Bestreben, Liedzyklen etwa von Franz Schubert als Ganzes aufzunehmen und in Recitals zu präsentieren, die vor seiner Zeit zumeist nur in Einzelteilen vorgestellt worden waren.


Ungeheuer und unermüdlich produktiv hatte er bis Ende der achtziger Jahre rund 3000 Lieder von etwa hundert Komponisten aufgenommen und zusammen mit Opern- und Konzertmitschnitten eines der


umfassendsten Schallplattenwerke eines einzelnen Künstlers überhaupt geschaffen. DIE POESIE ALS CREDO Damit nicht genug. Neugierig auf der Suche nach Zusammenhängen jenseits des


Offensichtlichen erschloss sich Dietrich Fischer-Dieskau auch andere Künste. Bereits 1960 hatte er angefangen zu malen. Seine Bücher zur Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms oder


auch Carl Friedrich Zelter gelten bis heute als Standardwerke. Die Universitäten von Yale, Oxford, Heidelberg und die Pariser Sorbonne verliehen ihm Ehrendoktorwürden, viele weitere Preise


vom Ernst von Siemens Musikpreis (1980) bis zum Polar Music Prize (2005) säumten seinen Lebensweg. Allein fünfmal bekam er einen Grammy überreicht und in München und Berlin wurde er zum


Kammersänger ernannt. Für ihn selbst jedoch blieben solche Ehrungen angenehme Begleiterscheinungen seiner Leidenschaft. Stolz war er auf anderes, etwa mit Ferenc Fricsay, Jörg Demus oder


Daniel Barenboim gearbeitet zu haben, vor allem aber dafür gesorgt zu haben, dass die Poesie, das Wort, als gleichberechtigtes Element neben der Musik anerkannt wurde. In seinem Buch


"Wenn Musik der Liebe Nahrung ist" schrieb Dietrich Fischer-Dieskau: "Wer nur mit der Stimme singt, dürfte schnell am Ende sein. Wer aber das Feuer der Poesie besitzt, wem


jedes Gedicht unwillkürlich als von einer Gestalt gesprochen erscheint, die sich die Fantasie erschafft, mit genauen Umrissen und einem Raum um sie, der kann zwar Virtuosität anwenden, aber


er wird sie dazu nutzen, Idee, Charakter, Gedanken eines Werks, einer Rolle auszudrücken". Es war das Ganze, was Dietrich Fischer-Dieskau interessierte. Und das gibt seiner Kunst eine


Bedeutung, die weit über das Einzelne, den Einzelnen hinausreicht.


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